Preußens Kurfürsten

Ein Löwe im Schloss

Der Kurfürst lässt sich von den Mindenern huldigen

Eine Serie von Martin Steffen

Als Reklame für die neuen Verhältnisse war die Ansprache des brandenburgischen Gesandten von Löwen im Schloss Petershagen am 23. Februar 1650 vor der Abordnung der Stadt Minden nur begrenzt brauchbar. Kurfürst Friedrich Wilhelm akzeptiere Minden nur um des Friedens willen.

Trotzdem schloss die Versammlung mit dem Ausruf “Vif la Brandenbourg” – immerhin war der Kurfürst selbst anwesend, um sich von den Mindenern huldigen zu lassen.

Eigentlich hatten die Brandenburger bei der Friedensregelung nach dem Dreißigjährigen Krieg 1618 bis 1648 die vorpommersche Ostseeküste im Auge. Im Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück legten die Parteien fest, dass Schweden das wirtschaftlich leistungsfähige Vorpommern samt seiner Hansestädte erhalten und Brandenburg mit Minden entschädigt werden sollte. Dass ihm die Vorpommern als Untertanen lieber gewesen wären, darüber ließ der Kurfürst die Mindener Abordnung auf dem Umweg über seinen Gesandten nicht im Unklaren.

Die Schweden verzichten auf Verwüstungen

Minden war im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges seit 1636 durch schwedische Truppen besetzt gewesen. Deren Einquartierung belasteten Stadt und Bürger finanziell wie räumlich: 805 Soldaten, 429 Frauen und 333 Kinder mussten damals zusätzlich innerhalb der Stadtmauern untergebracht werden. Zumindest auf einem Gebiet hatten die Mindener so Glück: weil Stadt und Land in ihrer Hand waren, verzichteten die Schweden auf Verwüstungen.

Kurfürst Friedrich Wilhelm I. zu Gast in Minden.
Kurfürst Friedrich Wilhelm I. zu Gast in Minden.

Nach 1648 wurde der Kurfürst von Brandenburg neuer Landesherr. Um in neu erworbenen Gebieten im Westen machtpolitisch Fakten zu schaffen, war der Ausbau der Kommunikationsmittel wichtig. Bereits 1649 wurde eine brandenburgische Reitpost von Krakau nach Amsterdam über Minden, Hamm und Wesel eingerichtet und Albrecht Schröder erster brandenburgischer Postmeister in Minden.

1650 und 1667 hatten sich die Mindener bestimmte althergebrachte Rechte an der Regierung des ehemaligen Bistums sichern können. Die städtischen Freiheiten und Sonderrechte gingen erst 1723 durch ein Stadtreglement verloren. Wohl nicht, weil dem Kurfürsten und seinen Nachfolgern diese Rechte so wichtig erschienen. Sie hatten andere Prioritäten: zur neuen Regierung gehörten ein Landkommissar für militärische Angelegenheiten und ein Steuerdirektorium. Bei der Zusammenarbeit mit den neuen Untertanen ging es dem Kurfürsten vor allem um militärische Stärke und sichere Einnahmen.

Im September 1650 rückten die Schweden endgültig aus Minden ab. Nach 1648 blieben die jeweiligen Besatzungen wo sie waren und begannen erst nach ihrer Bezahlung, der sogenannten “Abdankung”, den Rückweg. Beschäftigungslose Soldaten sollten nicht plündernd und marodierend heimwärts ziehen.

Brandenburgisches Militär rückt in Stadt ein

Zeitgleich rückte brandenburgisches Militär in die Stadt ein, das ebenfalls unterhalten werden musste. Auch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges verschärften die Finanzlage auf Jahre, obwohl Brandenburg in Steuerdingen mit den Untertanen nicht zimperlich umging: “… dass in der Kassa das geringste im Vorrat nicht vorhanden”, meldete Brandenburgs Statthalter 1651 nach Berlin.

Trotz aller Privilegien auf dem Papier hatten die Mindener Stände finanzielle Vorhaben des Kurfürsten mitzutragen. Mit der sogenannten Akzise erging 1674 an den Ständen vorbei eine landesweite Sondersteuer zu Rüstungszwecken.

Die Beleidigung der Mindener Stände im Schloss Petershagen 1650 durch den Sprecher des Kurfürsten erscheint im 21. Jahrhundert kurzsichtig. Wenn auch ungewollt, war Minden für Brandenburg doch ein Gewinn: das ehemalige Bistum und Ravensberg hatten für mehr als 150 Jahre eine wichtige Brückenfunktion zwischen Brandenburg im Osten und Kleve-Mark im Westen übernommen und den Grundstock für die preußische Provinz Westfalen im 19. Jahrhundert und für das heutige Bundesland NRW gebildet.

Dieses ist der letzte Teil der Preußen-Serie des in Minden geborenen und heute in Bielefeld lebenden Historikers Martin Steffen, dem wir danken, dass wir die Beiträge auf Amtage.de übernehmen dürfen.

Kontrovers diskutierte Geschichte: Auszug aus einem Preußen-Vortrag von Dr. Joachim Belz