Alter Friedhof

Carl Wilhelm von Rango war Leibpage Friedrichs des Großen. Er ist auf dem Alten Friedhof in Minden beigesetzt. Fotos: Amtage
Carl Wilhelm von Rango war Leibpage Friedrichs des Großen. Er ist auf dem Alten Friedhof in Minden beigesetzt. Fotos: Hans-Jürgen Amtage

1808 von der St. Martini-Gemeinde gegründet, ist der Alte Friedhof weit mehr als 200 Jahre alt. Damit reiht sich die Grabanlage in die Anzahl der Stadtfriedhöfe ein, die alle etwa um dieselbe Zeit entstanden, weil es das Preußische Landrecht von 1794 gesetzlich vorschrieb.

Die Stadt Minden und die Provinz Westfalen wurden von Napoleons Truppen besetzt und standen unter französischer Verwaltung, als der napoleonische Intendant die sofortige Schließung aller in der Stadt gelegenen Friedhöfe verlangte. In Frankreich waren innerstädtische Friedhöfe aus hygienischen Gründen bereits verboten. Die Stadt Minden hatte zur Friedhofsfrage schon zuvor in Ausschüssen beraten, war aber noch zu keinem Beschluss gelangt. Provisorisch wurde nun außerhalb der Festung (im Bereich der heutigen Domschule) ein Gelände angekauft und als städtischer Friedhof in Gebrauch genommen.

Abruptes Ende für alte Bestattungsplätze

Damit kam die etwa ein Jahrtausend alte Tradition der Bestattungen an Kirchen, Klöstern und Spitälern innerhalb der Stadtmauern zu einem abrupten Ende. Die St. Martini-Kirche, bereits 1022 als Chorherrenstift von Bischof Sigebert gegründet und ursprünglich als eine von sechs Stadtkirchen sehr einflussreich, traf der Erlass ebenso. Seit der Gründung waren Mitglieder des Stifts und des Sprengels in der Kirche, dem angeschlossenen Kloster und rings um die Kirche bestattet worden (2018 waren bei Bauarbeiten im Straßenraum noch verschiedene Skelettteile gefunden worden). Sie stellte nun bei der Stadt den Antrag auf einen eigenen kirchlichen Friedhof, auf dem die Gemeindeglieder weiterhin gemeinsam bestattet werden sollten. Dem Gesuch wurde stattgegeben und St. Martini eröffnete einen eigenen Friedhof vor der Festung, den heutigen Botanischen Garten „Alter Friedhof”, der als einziger Friedhof an derselben Stelle bestehen blieb.

Grabstein aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Grabstein aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ab 1814 baute man die Festungswerke der damaligen Grenzstadt Minden zum wiederholten Male aus. Bei den Bauarbeiten legte man versehentlich die Särge und Gebeine der erst kürzlich bestatteten Toten frei, die dann auf den Alten Friedhof umgebettet wurden. Die anderen Bestattungsplätze wurden beim Ausbau der Festung unter den Festungswerken im wahrsten Sinne des Wortes „begraben”. Nur der Alte Friedhof lag unmittelbar davor im 1. Rayon  – zum ständigen Ärger der „Fortification-Verwaltung”, deren vordringliches Interesse darin bestand, das Terrain als Schussfeld freizuhalten. Das ließ sich mit den aufrecht stehenden Grabmonumenten schlecht vereinbaren und sorgte für anhaltende Konflikte mit der Stadtverwaltung. Die Festung hat letztlich auch den jetzigen Umriss des Friedhofsgeländes bestimmt. Als 1873 die Festungswerke abgerissen wurden, war der Friedhof fast schon nahtlos an die Festung herangewachsen.

Heute bildet er das Negativ zwischen den einstigen Festungsbastionen ab. Der Verlauf der heutigen Friedrichstraße markiert die Seitenfläche einer Bastion und verläuft bereits seit mehr als 300 Jahren an der selben Stelle, weil auch die ältere Feslung hier schon eine Bastion besaß.

Anfangs nur für Gemeindeglieder

Anfangs wurden auf dem Friedhof nur Gemeindeglieder bestattet. In der St. Martini-Gemeinde gibt es Familien, die heute ihre Vorfahren in Minden 300 bis 600 Jahre zurückverfolgen können. Später wurden auch alle anderen Einwohner der Stadt hier bestattet, da der Friedhof inzwischen die einzige öffentliche Begräbnisstätte und aus dem Kirchengemeinde- in den Stadtbesitz übergegangen war. Daneben gab es zwei konfessionelle Begräbnisstätten, den Juden- und den Quäkerfriedhof, und einige Privatfriedhöfe.

Seit 1873 führt die Stadt ein Begräbnisregister, in dem auch die Berufe der Toten verzeichnet sind. Dieses Register zeigt die Vielfalt an Berufen aller sozialen Schichten der preußischen Stadt zum Ende des 19. Jahrhunderts. Wie Phönix aus der Asche erstehen die komplizierten Hierarchien der preußischen Verwaltung, von Militär, Gericht, Post und Eisenbahn, aus Handwerk und Unternehmerschaft, Politiker und Geistliche, Gründer und Geschäftsfrauen, Intellektuelle und Gutsbesitzer, Künstler, Schöngeister und Revolutionäre – kurz, die ganze gemischte Gesellschaft preußischer Charaktere jeglicher Couleur hat Stadtgeschichte geschrieben.

Who is who auf dem Alten Friedhof

Gleichzeitig kann festgestellt werden, wer von den bekannten Persönlichkeiten nicht in Minden bestattet wurde und daraus kann man schließen, dass es in der relativ ortsfesten Stadtbevölkerung Gruppen gab, die mobiler waren als andere. Dazu gehörten vor allem die höheren Ränge der preußischen Verwaltung und des Militärs. Denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die preußische Bürokratie ausgebaut und schuf im Zuge der Verfassungsreformen neue Zuständigkeiten. Das Potenzial an fähigen höheren Beamten wurde daher nach Bedarf an verschiedenen Orten eingesetzt, Karrieren waren an Versetzungen gebunden. Dieses galt natürlich auch für das ohnehin beweglichere preußische Militär.

Bürgerliche Grabstätten bestimmen heute das Bild des Alten Friedhofes.
Bürgerliche Grabstätten bestimmen heute das Bild des Alten Friedhofes.

Am Ende einer Karriere war mit dem Eintritt in den Ruhestand nicht selten ein Ortswechsel an den Ort verbunden, den man sich als Ruhesitz ausgesucht hatte. Auch einige Exil-Mindener zog es bisweilen in die Stadt zurück – andere, die weit entfernt starben, wurden von ihren Familien in die Heimat überführt und auf dem Alten Friedhof im Familiengrab bestattet. Ein Grab, das auf große Aufmerksam stößt, ist die Begräbnisstätte des Leibpagen Friedrichs des Großen, Carl Wilhelm von Rango, der am 16. März 1827 als “Oberst und Commandant zu Minden” verstarb.

Besonders in den 1960er-Jahren sind immer wieder Grabstätten eingeebnet worden, so dass die heute auf dem Friedhof erhaltenen Grabstätten eine recht einseitige Auswahl aus dem früheren Bestand darstellen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind fast nur noch die mittel- und großbürgerlichen Familien-Erbbegräbnisstätten vorhanden, während es früher Gräber aller Gesellschaftsschichten gab. Unter kulturgeschichtlichen und botanischen Gesichtspunkten ist der Alte Friedhof, der in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts zur Parkanlage umfunktioniert und 1951 zum Botanischen Garten erklärt wurde, jedoch nach wie vor das „Entdecken“ wert. Alte Lindenalleen aus Holländischen Linden, Eiben und der japanische Tempelbaum Ginkgo (in Minden gibt es auch eine Ginkgo-Allee) bestimmen ebenso wie Rhododendren das Grün des Botanischen Gartens der besonderen Art.

Autor: Hans-Jürgen Amtage


Weiterführende Links:

Alter Friedhof in Minden
Die Friedhöfe in Minden
LWL-GeodatenKultur: Botanischer Garten
Online-Projekt Gefallenen-Denkmäler