Schau mal, der Hermann

Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, wie es im Frühjahr 2018 fertiggestellt sein wird. Das Denkmal ist ein wichtiger Bestandteil des Netzwerkes Preußen. Foto-Simulation: LWL
Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, wie es im Sommer 2018 fertiggestellt wurde. Das Denkmal ist ein wichtiger Bestandteil des Netzwerkes Preußen. Foto-Simulation: LWL

Preußen und das Mindener Land

Ein Netzwerk will “Preußen ohne Legende” zeigen

Von Hans-Jürgen Amtage

“Hier im Minden-Lübbecker Land macht der Wilhelm den Hermann.” Lachend erzählt der ehemalige Leiter des LWL-Preußenmuseums Minden, Carsten Reuß, von der Begegnung mit einem Paar, das auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal blickte und der Mann seiner Frau überzeugt erklärte: “Schau mal, der Hermann” – und damit eigentlich das Hermannsdenkmal in Detmold meinte.

Mit der Eröffnung des Besucherzentrums in der Ringterrasse und der Neueröffnung des LWL-Preußenmuseums Minden erhält die Darstellung Preußens im Westen eine neue, zeitgemäße Akzentsetzung. Denn das LWL-Preußenmuseum betreut das Besucherzentrum inhaltlich und will gemeinsam mit der zukünftigen neuen Ausstellung in der Defensionskaserne auf dem Simeonsplatz im Herzen Mindens verdeutlichen, wie sehr das Minden-Lübbecker Land Preußen war – und vielleicht auch immer noch ein bisschen ist. Und dazu gehört, aufzuzeigen, dass es sich bei dem Monument in Porta Westfalica nicht um Germanenkult, sondern um ein preußisches Denkmal handelt.

“Preußen ohne Legende” zeigen, das will das Netzwerk erreichen, zu dem das LWL-Preußenmuseum gehört. “Wo sind Dinge gar nicht mehr bewusst, die von Preußen ausgegangen sind”, hinterfragt Reuß und verweist auf Alleen, Streuobstwiesen, die Rentenversicherung und den Gang zum Standesamt. Auch im Mühlenkreis sei Preußen im Alltag allgegenwärtig. Und um das nahe zu bringen, bedürfe es nicht mehr des
klassischen begehbaren Geschichtsbuches, sondern einer schlaglichtartigen Zuwegung von der Gegenwart in die Vergangenheit.

So könne als Zielgruppe das gesamte Potenzial zwischen Punk und Lodenmantelgeneration erreicht werden, schildert der Historiker und betont: “Früher hat Preußen stark polarisiert. Inzwischen aber hat eine Art Neutralisierung stattgefunden.” Und die gelte es in der Region an Weser und Wiehen zu nutzen. Mit der Unterstützung der vielen Netzwerkpartner vom historischen Museum, über das Denkmal bis hin zu Privatleuten, die Geschichte erzählen können. “So kann der Staat Preußen, wie er auch hier wirkte, als Gesamtheit verstanden werden.”

Da der Blick nicht mehr – wie früher – durch ideologische Schranken verstellt sei, die Wiedervereinigung das Erschließen von neuen Quellen ermöglicht habe, sei Preußen wieder “ungeheuer spannend” geworden, betont Carsten Reuß. In der Region könne zudem deutlich gemacht werden, dass sich Preußen nicht von oben entwickelt habe, sondern die Regionen diese Entwicklung mitbestimmt hätten.

Dass besonders das Mindener Land dabei eine wichtige Rolle spielte, ist für ihn
ein entscheidender Punkt. Denn Preußen war im 18. und 19. Jahrhundert bereits eine Art “Global Player” – trotz der rudimentären Kommunikation und dürftiger Verkehrsmittel. Und für diesen Global Player war die Porta Westfalica ein wichtiger Durchgang. Hierdurch wurden unter anderem die Kontakte in die Niederlande gepflegt. “So hatte das Mindener Land für Preußen eine Scharnierfunktion zwischen Berlin und dem Westen.”

All diese Facetten gelte es in der Region zu betrachten. Sowohl unter touristischen als auch wissenschaftlichen Aspekten. Und dieses an einem Ort, in dem man Preußen schon beim Blick auf viele Gebäudefassaden begegnet.

Der ursprüngliche Text wurde im Mai 2017 von Hans-Jürgen Amtage für das Tourist-Magazin des Kreises Minden-Lübbecke “Milla” verfasst und im Januar 2020 hinsichtlich des Gesprächspartners und des inzwischen wiedereröffneten Denkmals aktualisiert.