Raddampfer Wappen von Minden ade

Der Raddampfer Wappen von Minden - heute "Weserstolz" - lag fast 14 Jahre vor der Fischerstadt vor Anker. Fotos: Hans-Jürgen Amtage
Der Raddampfer Wappen von Minden lag fast 14 Jahre vor der Fischerstadt auf der Weser vor Anker. Nach einem Verkauf des Schiffes nach Bremen, wo der Dampfer bis 2020 fuhr, wurde er 2022 nach Tschechien verkauft, wo er nun wieder auf der Elbe fährt. Fotos: Hans-Jürgen Amtage

Fast 14 Jahre lag er an der Schlagde vor der Fischerstadt unweit der zentralen Weserbrücke vor Anker: Der Raddampfer “Wappen von Minden”. Der einzige Raddampfer auf der Weser. Doch im April 2015 schipperte das Dampfschiff Richtung Bremen, wohin die Bremer Fahrgastschifffahrtsgesellschaft Hal Över die “Wappen von Minden” verlegte. Dort liegt das schmucke Schiff nun unter dem Namen “Weserstolz” an der Bremer Schlachte und startet von dort zu Fahrten auf der Weser.

Seit Mitte April 2001 schaufelten sich seine Räder durch das Wasser des Mittellandkanals und der Weser, doch sein endgültiger Liegeplatz war damals noch nicht fertiggestellt. Im Rahmen eines Arbeitsförderungsprojektes wurde der rund sieben Jahrzehnte alte Raddampfer, der ursprünglich den Namen “Labe” (Elbe) trug und der mehr als vier Jahrzehnte auf der Moldau bei Prag dampfte, in den Jahren 1999 und 2000 wieder hergerichtet – nachdem das Dampfschiff auf der Moldau gesunken und fast völlig verrottet war.

Beschäftigungsprojekt ermöglicht den Umbau

1997 hatte der damalige Geschäftsführer der Stadttochter Mindener Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungs GmbH (MEW), Hans Jürgen Hansch, die ersten Kontakte mit der zuständigen tschechischen Schifffahrtsgesellschaft in Prag wegen des maroden Dampfers aufgenommen. Nach schwierigen Verhandlungen kam 1998 der Kaufvertrag zustande. Der Dampfer wurde in einer Dresdner Werft notdürftig in Stand gesetzt, um wenig später nach Minden geschleppt werden zu können. Dort warteten rund zwei Dutzend junge Arbeitslose darauf, im Rahmen eines Beschäftigungsprojektes den Raddampfer von Grund auf wieder herzurichten und sich für den Ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Mit Erfolg, wie sich später zeigte.

1998 wurde die "Labe" von Dresden nach Minden überführt.
1998 wurde die “Labe” von Dresden nach Minden überführt.

Mit einem Kostenaufwand von rund zwei Millionen Euro wurde der Raddampfer aufgerüstet, begleitet von einem Dampfschiff-Fachmann, der seit mehr als sechs Jahrzehnten sein Herz der Dampfschiffahrt verschrieben hatte: der inzwischen verstorbene Rentner Heinz Trost aus Mindens niedersächsischer Nachbargemeinde Wiedensahl. Zuschüsse für das Projekt, das von der inzwischen abgewickelten Beschäftigungsgesellschaft “Transfer” durchgeführt wurde – unter anderem von der MEW und dem Kreis Minden-Lübbecke getragen -, kamen auch vom Land Nordrhein-Westfalen sowie von heimischen Sponsoren. Viele der jungen Mitarbeiter an dem Projekt konnten später in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden.

Fachmann Heinz Trost restaurierte damals die Dampfmaschine des Raddampfers.
Fachmann Heinz Trost restaurierte damals die Dampfmaschine des Raddampfers.

Ab März 2009 fuhr der Raddampfer “Wappen von Minden” als Linienschiff der MEW, die das Dampfschiff von der Mindener Fahrgastschifffahrt übernommen hatte, nachdem die ihren Pachtvertrag mit der MEW nicht verlängerte. Gleichzeitig fungierte die “Wappen von Minden” als Gastronomie- und Eventschiff. 2012 wurde der Raddampfer von der Fahrgastschifffahrt “Flotte Weser” mit Sitzen in Nienburg und Hameln übernommen. Das Schiff fuhr aber weiterhin auch in Minden. Bis April 2015, als sich die Flotte Weser und Hal Över zusammentaten, um den Raddampfer in Bremen einzusetzen.

Verkauf aus finanziellen Gründen

Die Entscheidung der Mindener Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungs GmbH, den Dampfer zu veräußern, fiel vor allem aufgrund des Kostendrucks. Rund 50.000 Euro Verluste für die MEW schrieb die “Wappen von Minden” zuletzt jährlich. Unklar war, ob eventuell die Landeszuschüsse, die in das Raddampfer-Projekt geflossen sind, zumindest teilweise zurückgezahlt werden mussten, da die Bindungsfrist für die Zuschüsse noch nicht abgelaufen war.

Ende August 2020 wurde bekannt, dass die neuen Eigentümer den Raddampfer “Weserstolz” veräußern wollen, während er in Minden zur Wartung auf Reede lag. Das Schiff sei nicht wirtschaftlich zu betreiben, so die Hintergründe für den Verkauf. Hinzu kam, dass die Corona-Pandemie im Jahr 2020 wegen des Lockdowns auch den Weißen Flotten im ganzen Land finanziell stark zugesetzt hatte. 2022 dann wurde der Verkauf des Raddampfers nach Tschechien bekannt. Im Mai des Jahres traf das Schiff auf der Werft in Děčín-Křešice (Tetschen-Krischwitz) ein und wird nach einer Überholung von der Děčíner Reederei Labská plavební společnost für Ausflugsfahrten eingesetzt. Damit wird die Wappen von Minden/Weserstolz nach langer Zeit wieder der erste Raddampfer sein, der auf der tschechischen Elbe unterwegs ist. Und wer weiß, vielleicht erhält er ja sogar seinen alten Namen “Labe” (Elbe) zurück.

Der rund 53 Meter lange und neun Meter breite Raddampfer kann etwa 200 Personen transportieren, nachdem er in Prag auf der Moldau mit bis zu 650 Fahrgästen unterwegs war. Das 25 Tonnen schwere Dampfaggregat, das komplett generalüberholt werden musste, treibt die beiden Schaufelräder mit höchstens 45 Umdrehungen in der Minute an. Bei einem Tiefgang des Raddampfers von maximal 72 Zentimetern, kann sich das Dampfschiff auch bei niedrigem Wasserstand durch die Fluten des Flusses arbeiten.

Raddampfer-Daten:
Erbaut: 1941-1949 auf der Schiffswerft “Praga” in Prag-Libien
Länge über alles: 54,07 m
Länge zwischen den Loten: 51,50 m
Breite auf Spanten: 5,10 m
Breite über Radkästen: 9,50 m
Seitenhöhe: 2,30 m
Tiefgang leer: 0,63 m
Tiefgang beladen: 0,72 m
Wasserverdrängung: rund 120 t
Drei Salons mit rund 130 Tischplätzen
Freideck mit rund 120 Sitzplätzen

Dampfmaschinen-Anlage:
Schrägliegende Zweifachexpansions-Dampfmaschine mit Ventilsteuerung und Einspritzkondensation, erbaut 1939 bei CKD in Prag
Leistung: 153 PS bei 45 U/min
Druckumlauf-Zentralschmierung
Gewicht: 25 t
Hochdruckzylinder ø 330 mm
Niederdruckzylinder ø 647 mm
Kolbenhub 650 mm
Generalüberholung: 1999/2000
Dreizug Einflammrohrkessel, erbaut 2000
Heizfläche: 34,3 m²
Überhitzerheizfläche: 8,08 m²
Gesamtheizfläche: 42,38 m²
Dampfdruck: 16 atü (kg/cm²)
Heißdampf: 250°C
Dampfleistung: 1200 kg/h
Feuerung: leichtes Heizöl, 88kg/h
Bug-Pumpjet-Anlage
Heck-Querstrahl-Propeller

Autor: Hans-Jürgen Amtage
Stand: Juni 2022


Weiterführende Links:

Fit für die nächsten Fahrten | Mindener Tageblatt – 11. August 2020

Schiff zu verkaufen | Mindener Tageblatt – 01. September 2020

Video: Raddampfer verlässt Minden | Mindener Tageblatt – 22. April 2015